Chromatische Aberationen

Heute wollen wir über eine Minderheit sprechen, eine vom Aussterben bedrohte Spezies, deren wechselhafte Geschichte voller Missverständnisse und von Vorurteilen geprägt ist:

Die Chromatischen Aberationen.

Laien bezeichnen sie bisweilen als Farblängenfehler, welche sich durch die unterschiedlichen Wege der Spektralfarben im Objektiv als violette und grüne Linien entlang harter Kontrastkanten bemerkbar machen.

Das Hauptproblem zeigt diese Umschreibung auch schnell auf: eine physikalische Gesetzmäßigkeit wird als Fehler bezeichnet. Einsteins Relativitätstheorie ein Fehler? Die Schwerkraft eine Laune der Natur? Zwei und Zwei ist womöglich gar nicht Vier? Wohin führt uns das? Ins Chaos. Anarchie pur. Nur die Entropie macht dann noch Sinn.

Aus diesem Grund macht die Industrielobby, allen voran die namenhaften Objektivhersteller,  gnadenlos jagt auf die CA’s, wie sie der selbsternannte Fotographiefachmann (oder war es Photografie?… Ich komm da immer ganz durcheinander…) liebevoll nennt. Mithilfe modernster Computertechnik wird ihnen zu Leibe gerückt, nur mit dem einen Ziel: seek and destroy.

Unterstütz werden sie dabei durch eine Heerschar an Auslöserbetätigern, die das Ausrotten der chromatischen Aberationen durch teilweise perfide Methoden noch systematisch fördern. Ich weiß von einigen verabscheuungswürdigen Kreaturen, die das Ausmerzen sogar in ihren Workflow durch geeignete Importfilter im ihrem RAW-Converter zu ihrem Lebensziel gemacht haben.

Sollte man nicht lieber den Kontrasten und seinen harten Kanten zuleibe rücken? Nicht ausrotten, nein, nur eindämmen, in ihre natürlichen Lebensumfelder zurückführen.
Es würde sich binnen kurzer Zeit ein harmonisches Gleichgewicht zwischen den Kontrasten und den Aberationen einstellen, ein Ökosystem, dessen Existenz jetzt vom Menschen bedroht ist.

Helft ihnen, ünterstützt sie, nehmt sie bei euch auf.

Ich suchte, ich fand und ich nahm sie mit nach Hause.

Michael Moeller

Telemar 22 5.6/200 mit Zwischenringen, Blende 5.6

5 Gedanken zu „Chromatische Aberationen

  1. Seh-N-Sucht

    Ja, diese Farblängsfehler – adoptiere sie ruhig, du darfst sie alle haben 😉 , cyan und magenta machen sich wirklich gut in einer ansonsten nahezu monochromen Aufnahme 😉 Und so weißt Du wenigstens, wo die Schärfeebenen liegt, das sieht man ansonsten ja nicht im Bild. Du könntest es ja sogar als optisches System für die im Bild farblich markierte Fokusebenenlage weitervermarkten 😉

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  2. Tilman

    Herrlich, danke dir für den toll geschriebenen Beitrag! Andreas Feininger hat sowas ähnliches mal zu Farbkorrekturen und Filtern verfasst. Aber lange nicht so schön ;-)…

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